Inhalt:
Ein Zukunfts-Roman für Nervenstarke und für solche,
die Ironie für eine Klarsichtbrille halten.
Der junge
Musikwissenschaftler und Slawist Björn Salde, geboren
2019 in Hamburg, hat einen Krisen-Start. Die EU war eine Scheinblüte
aus dem Geiste der Bürokratie. Deutschland ist wirtschaftlich
heruntergekommen. Reformversuche, mit guten Vorsätzen
begonnen, sind gescheitert.
In ihrer
Verzweiflung verfällt die politische Klasse auf die Idee,
die Schuld an der Misere nicht ihrem Versagen, sondern der
in die Ferne gerückten dunklen deutschen Vergangenheit
anzulasten. Nach einer Kette von Alten-Pogromen und der Flucht
des Staatspersonals geht Deutschland 2029 in die Verwaltung
der Zentralen Europäischen Television in Luxemburg über.
Hoffnung
kommt von den drei Millionen Turkmenen, die seit 2023 in den
verlassenen Gebieten Sachsen-Anhalts ein Gemeinwesen mit neuen,
fast schon wieder preußisch anmutenden Gesellschaftsformen
aufbauen. Björn Salde, für seine Zeit ein fast gefährlicher
Einzelgänger, Elite-Zögling der Luxemburger Verwaltungsbehörde,
wird 2047 Inspekteur der Turkmenengebiete. Von diesem florierenden
Zentrum aus versucht er Deutschland zu beleben und unter riskanten
Voraussetzungen neu zu vereinigen. Wie er das macht und wie
die deutschen Turkmenen es machen, wird den Leser überraschen.
Für
die Welt von 2050 wirft dies gewisse Probleme auf. Wer könnte
schon leugnen, dass sich das Leben stark verändert hat?
Der Globalismus funktioniert nicht mehr. Wenige Regionalgroßmächte,
auf sich konzentriert und einander belauernd, teilen sich
in die alte Erde. Die größte Gefahr stellen staatsfreie
Planetary Industrial-and-Knowledge-Players, gewaltige Produktions-
und Wissenskonzerne dar. Sie neigen zur unfreundlichen Übernahme
ganzer Staats- und Wirtschaftsbereiche.
Die
USA haben sich hispanisiert, im zerbrochenen China herrschen
die erfolgreichen südlichen Ming, Indien bringt exzellente
Online-Hinduisten hervor und Russland hat seine Erde wieder
gesammelt. Afrika taucht selten auf, weil es wenig zu erzählen
gibt. Die Weltkonstellation erfordert neue Bündnisse
und Anlehnungen, wobei die Mischung aus Satire und Hochrechnung
eines zeigt: Rückkehr zur Tradition und ein offener,
unbelasteter Geist, klug vereint, bilden, wohin man auch blickt,
das Gewebe der Zukunft.
(©
2003 Dr. Herbert Kremp)
Zum
Autor:
Dr. Herbert Kremp (geb. 1928) ist einer der bekanntesten deutschen
Journalisten mit scharfer Feder und skeptischem Verstand.
Er war Chefredakteur (Rheinische Post, DIE WELT), Korrespondent
in China und Südostasien während der Reformperiode
Deng Xiao-pings und in Brüssel bei NATO und EU, reiste
als Reporter und politischer Berichterstatter durch die Welt
und schreibt heute für zahlreiche Zeitungen beachtete
Kommentare. Der Historiker, Staatsrechtler und Nationalökonom
(promoviert über Oswald Spengler, Arnold J. Toynbee und
Max Weber) „bürstet” den Zeitgeist gegen
den Strich und wagte viele Prognosen. Die Hälfte von
ihnen traf ein. Das Scheitern betrachtet der Autor als Berufsrisiko.
Textauszug:
Angelpunkt der
Weltpolitik ist das Wasser-Problem, das angesichts des Anwachsens
der Erdbevölkerung auf 9,8 Milliarden nach dem Stand
von 2043 unter die Kategorie „Unbeantwortete Herausforderung”
fällt. Die Industrialisierung der Weltbereiche außerhalb
Europas, Nordamerikas und der bereits um die Jahrtausendwende
arrivierten Staaten Asiens und Lateinamerikas hat, zusammen
mit Human-Verbrauch und landwirtschaftlicher Nutzung, den
Wasserbedarf um ein Vielfaches ansteigen lassen.
Alle
Appelle der Vereinten Nationen, der regionalen Staatengemeinschaften,
der Weltbank und zahlloser Forschungs-Institute, eine „strategische
Wasser-Partnerschaft” zu schließen, waren ungehört
verhallt. Schon 2010 litten 88 Länder mit 4,3 Milliarden
Bewohnern temporär unter Wassermangel. Rund ein Drittel
der 214 Ströme, die durch mehr als ein Staatsgebiet führen,
verloren während des Laufs an Wassermenge und Fließgeschwindigkeit.
Prekär wurde die Lage vor allem für die Anrainer
des Ganges, Nil, Euphrat, Tigris und an den parallelen Flusssystemen
in der West-Ost-Ausdehnung Russlands. Zahlreiche Nebenflüsse
sind als „episodisch” ausgewiesen, selbst in großen
Strömen tritt örtlich die sogenannte Flussschwinde
auf: Das Wasser versickert.
Der
Verteilungskampf spitzt sich seitdem zu, weil den meisten
Wasserverträgen die völkerrechtliche Verbindlichkeit
fehlt. Krisen mit destabilisierenden Folgen treten in den
Mega-Städten auf, unter denen man nach dem gängigen
statistischen Begriff Agglomerationen von mehr als 30 Millionen
Einwohnern versteht. Neben Schanghai, Bombay, Kalkutta leiden
Bangkok, Mexiko-Stadt und Kairo unter akuter Wasserknappheit
- pro Kopf und Jahr stehen nicht mehr als 900 Kubikmeter zur
Verfügung - und unter der Verschmutzung des Liquidums
mit der Folge grassierender Seuchen.
Die
Millionen-Flucht aus Mexiko nach Norden und in entgegengesetzte
Richtung über die zentralamerikanische Landbrücke
nach Kolumbien und Venezuela ist, banal gesagt, die Durst-Wanderung
einer panisch verängstigten Masse. Seit Jahrzehnten schlagen
die Bewohner der Slum-Gürtel um Mexiko-City einen Brunnen
neben den anderen. Das ausgewrungene Erdreich gab nach, es
entstand eine Canon-Landschaft, die sich unaufhaltsam in Richtung
Zentrum ausdehnte. Ganze Stadtviertel mussten geräumt
werden, Millionen verloren unersetzbare Unterkünfte und
Arbeitsplätze. Bangkok, das zweite Katastrophen-Beispiel,
ist in den vergangenen 15 Jahren um weitere 18 Zentimeter
abgesunken. Im Zentrum müssen Hochhäuser abgetragen
werden, Klonks und Gemüse-Kulturen an den Rändern
trocknen aus. Dank südchinesischer Hilfe konnte mit dem
Neubau der Stadt Siamjing auf dem wasserreichen Khoran Plateau
im Nordwesten Thailands ein großes Umsiedlungsprogramm
in Angriff genommen werden.
Nahezu
aussichtslos ist die Lage in Kairo. Die 34 Millionen Bewohner
der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Republik müssen
sich über ein System öffentlicher Wasserstellen
versorgen, seit das veraltete Leitungssystem fast ein Drittel
des wertvollen Inhalts auf dem Wege verlor und wegen Seuchengefahr
versiegelt wurde. Riesige Kessel, Blech-Viadukte und Zapf-Armaturen
wurden an die Stelle abgerissener Häuserzüge in
den Seitenstraßen der großen Magistralen installiert.
Ein bizarres Geflecht 75 Zentimeter dicker Rohre durchzieht
in vierzehn Metern Höhe die weit nach Süden vorgedrungene
Agglomeration aus Stein und Lehm, quert Häuserfronten,
bohrt sich in Hügel, sogar durch Ziegel-Pyramiden aus
dem Mittleren Reich (2040-1650 v. Chr.), sucht in 250 Metern
Distanz von den Moscheen nach Umwegen - die radikale Gemein-schaft
der Muslime hat sich längst im Lande durchgesetzt und
bestimmt den „gottgefälligen” Verlauf der
Versorgungs-Leitungen. Ölbetriebene Kompressoren verbreiten
Tag und Nacht den Lärm und den Gestank der Hölle.
Wasserknappheit
ist ein apokalyptisches Thema, so gewaltig wie unlöschbare
Atom-Feuer, so verzehrend wie die Sünde. Auf der Fahrenheit-Skala
der Seelen ist der Siedepunkt erreicht. Seit Jahren befiehlt
die Ulama der Al-Azhar-Universität, schreit die Umma
in Ägypten nach dem Jihad, dem Heiligen Krieg gegen die
mehrheitlich ungläubigen Äthiopier. Die Christen
dort unterdrückten die Muslime, heißt es –
tatsächlich geht der Streit um das Nilwasser, das Äthiopien
zu vier Fünftel kontrolliert, mitsamt der Quelle des
Blauen Nils südlich des Tana-Sees. Seit dem ersten Jahrzehnt
nach der Jahrtausendwende verdünnt sich sein Fluss nach
Norden jenseits mächtiger Staudämme, die „der
verräterische Westen'' für äthiopische Landbewässerungsprogramme
finanzierte.
Proteste
halfen nichts. Aber jetzt ist es so weit. Nun werden die eisernen
Armeen des Propheten Addis Abeba, diese einzigartige Verletzung
der Autorität Gottes inmitten des alten Afrikas, zerstören
und die Herrschaftsgewalt Allahs errichten. Die Macht wird
Gottes Siegel tragen, der Diktator, der die Muslime verfolgt,
wird sterben. Und in der Stadt Addis Abeba werden die Luxus-Hotels
und Ressorts der verkommenen Kreuzfahrer fallen. An ihrer
Stelle wird das Standbild des ersten muslimischen Helden,
der im Feldzug sein Leben opfert, vom Anbruch der neuen Zeit
künden, genauso wie an der Niluferstraße in Kairo
heute Khalid al Islambuli, der im Oktober 1981 den Pharao
Sadat tötete und zum Martyrer wurde, die Verehrung der
Passanten erheischt.
(Text:
© Dr. Herbert Kremp)
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